Endstufenröhren in einem Fender 400PS

Jochens TechTalk: Gitarrenverstärker in den 80ern – Vielfalt und Rückbesinnung

Gitarre & Bass Technik

Vielfalt

In den 80ern setzten sich die Trends der 70er erstmal fast geradlinig fort. Vielfalt und Leistung waren weiterhin wichtig – so ziemlich jeder Hersteller brachte mehrkanalige Amps heraus. Ein Einschleifweg für Effekte waren ein Muss für einen Amp, der im Zeitgeist mithalten wollte. Auch wenn die damaligen Loops noch nicht so richtig praxisgerecht sein wollten …
Von Marshall kamen die JCM800 2205/2210 auf den Markt. Fender hatte die Rivera-Serie mit Concert II, Super Champ usw. am Start. Gute Amps, aber irgendwie auch alle etwas kompromissbehaftet.

Die sagenumwobenen Boogies wurden mit dem Mark IIB und IIC immer ausgefuchster bzw. komplizierter – und mit Startpreisen um die 3.000 DM kaum erschwinglich …

Gleichzeitig wurde auch fleißig gegenseitig abgekupfert. Kitty Hawk orientierte sich zuerst bei Dumble, PCL kopierte den Boogie Mark IIB. Laney bediente sich mit den AORs ganz erheblich bei der Master-Volume-Serie von Marshall. Ein Acoustic G100T hat frappierende Ähnlichkeit mit einem Boogie Mark IIC.

Für härteren Rock musste selbstverständlich ein Master-Volume-Marshall (2203/2204) mit einer oder zwei 4×12″ auf der Bühne stehen. Ansonsten sah man natürlich immer noch viele Twin Reverbs und AC30s auf den Clubbühnen.

Transistoramps

Die Zeit der Röhrentechnik schien irgendwie endlich. Die Gitarristen waren wohl die letzten, die solches Zeug immer noch brauchten. Transistoramps wie Award Session, H|H, Roland, Teisco oder Craaft wurden immer häufiger. Alle großen Hersteller hatten eine vollständige Serie von Halbleiteramps. Manche dieser Amps wie etwa die Sessionette von Steward Ward waren sogar richtig gut. Irgendwie träumte aber fast jeder Gitarrist von einem „echten“ Röhrenamp.

Programmierbare Amps und Racks

Die ersten Hersteller versuchten sich bereits Anfang der 80er mit programmierbaren Vorstufen und Amps. Pioniere waren Stamer mit dem H&K AS64, ENGL mit dem Digital-Amp und Dynacord mit der Reference-Serie. Acht abrufbare Sounds waren für die damalige Zeit schon sehr mächtig. Das sollte später noch weitergehen

Ende der 80er standen bei den Profis plötzlich kühlschrankgroße Racks mit Röhrenpreamps und Stereo-(Röhren-)Endstufen auf den Bühnen. Alles kombiniert mit hochwertigen Effektprozessoren aus der Studiotechnik. Delays, Pitchshifter, Reverbs und Kompressoren. Lexicon und Eventide. Die Verwaltung der Sounds übernahmen ausgeklügelte Umschaltsysteme – z. B. von Bradshaw, Cornish oder von EXEF. Das sollte sich dann auch im Bereich der Semi-Profis und Hobby-Musiker fortsetzen.

Firmen wie Rocktron, Digitech erschienen auf dem Markt. Die Sounds wurden irgendwie synthetischer, effektbeladen.

Alteisen

Die alten Amps der ersten Generation mutierten erstmal zu Gebrauchtware und wurden immer billiger. Wenn man heute die damalige Kleinanzeigenrubrik im alten Fachblatt durchstöbert, dann treibt es einem die Tränen in die Augen. Alte Blackfaces, Plexis oder ein JMI AC30 für 500 DM waren da keine Seltenheit.

Die Zeit der Modder

Parallel setzte sich auch bei uns ein Trend fort, der in den 70ern in den Staaten mit Paul Rivera, Jose Arrendondo, Alexander Dumble und Randall Smith von MESA begonnen hatte.

Alte, damals billige Marshalls wurden mit Bohrmaschine und Lötkolben bearbeitet – die Zeit des Amp-Tunings hatte auch bei uns begonnen. Manchem Besitzer eines alten Plexies kommen in Anbetracht des Wertverlustes heute noch die Tränen.

Thomas Reussenzehn in Hessen versorgte die Rodgau Monotones mit seinen Reu-o-Grande Marshalls, Dirk Baldringer war im Raum Köln, Bernd Stephan im Ruhrpott, Reinhold Bogner in Ulm. Sie alle nahmen das Eisen der alten Amps als Basis und versahen sie mit zusätzlichen Features.

In München konnte man sich bei Lake Placid Guitars seinen Marshall oder Fender modden lassen oder gleich einen getunten kaufen. 2-kanalig, 3-kanalig, Einschleifwege, Gain, was auch immer … Mastermind war dort ein gewisser Peter Diezel.

Boutique Amps

In den USA begannen kleine Firmen alternative Wege zu gehen. Ampentwickler wie Mike Soldano, Steve Fryette von VHT und Ken Fischer von Trainwreck kamen mit eigenständigen Modellen auf den Markt. Qualitativ hochwertig und innovativ. Teilweise schienen diese Amps – ähnlich den getunten Teilen – viele Limitierungen der klassischen Marshalls und Fenders hinter sich zu lassen. Keine Kompromisse – aber das auch im Geldbeutel.

Parallel dazu starteten andere Companies wie z. B. Victoria und Kendrick mit exakten und liebevoll aufgebauten Replicas der alten Fender Tweed-Amps der 50er. Ebenfalls ohne Kompromisse – auch klanglich. Man hatte eine echte Alternative zu den alten Originalen – nicht billig, aber immer noch halbwegs bezahlbar. Im Gegensatz zu den echten alten Amps. Die Zeit der Boutique-Amps hatte begonnen.

Der Vintage Boom

Trotz aller Neuerungen gab es aber immer noch Gitarristen, die weiterhin ihr altes Zeugs mit sich rumschleppten. Van Halen hatte damals immer noch seinen alte 100W Plexi am Start. Bei Rory Gallagher standen sein AC30, sowie Tweed Bandmaster und Bassman auf der Bühne. Manchmal auch ein alter Ampeg. Ein junger aufstrebender Gitarrist aus Texas prügelte ab dem Anfang der 80er seinen Sound aus einer alten Pre-CBS-Strat und vorwiegend alten Blackface-Fenders. Der Dornröschenschlaf der „alten“ Amps sollte enden.

Die Reissues

Ende der 80er wurden als Folge dessen einige der alten Legenden wieder neu aufgelegt – mehr oder weniger authentisch. Bei Fender war auf einmal ein brauner Vibroverb im Angebot sowie ein 4×10″ Tweed Bassman. Von Marshall konnte man den 1959 mit 100W ohne Master Volume sowie den JTM45 beinahe wieder im klassischen Look kaufen. Als Combo gab es den 1962 Bluesbreaker.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert