Ein Stillstandsbericht
Es fällt schwer, den aktuellen Zustand der stadtkulturellen Entwicklung anders als eine Dauerbaustelle im Stillstand zu beschreiben. Lässt man die vergangenen zehn Jahre Revue passieren, so fällt auf, dass aus all den aufwändigen Beteiligungsprozessen, Bürgerwerkstätten und Stadtteilgesprächen keinerlei stadtkulturellen Entwicklungsprozesse entstanden sind, die konzeptionell überzeugend zu einem guten Ende geführt worden wären.
Die aktuelle (aber uralte) Idee der „Stadtteilgespräche“ mit Ausblendung einzelner Bereiche statt Verknüpfung ist mehr eine Alibisache – wichtige Anregungen zur Stadtteilkultur kamen schon vor Jahren aus den Bürgerwerkstätten und Beteiligungsworkshops, wurden nie umgesetzt, verschwanden in den Schubladen der jeweiligen Referentinnen und Amtsleiterinnen. Auch seit Beginn der schwarz-grünen Koalitionsregierung ist kein Aufbruch zu verspüren, vielmehr Mangelverwaltung und Ausquetschen des Ist-Zustands. Die gesamte städtische Planungsarbeit vom Theater über Brecht bis zum Verkehr und den Schulen ein einziges Desaster. Dieses Warten darauf, dass mal was Substantielles passiert, vorhandene Ideen umgesetzt und Geld dafür eingesetzt wird, dass mal kreativ gedacht und gehandelt wird, macht wütend und bremst jeden Elan, zumal man den Eindruck gewinnt, dass der Stillstand von der aktuellen Stadtregierung gefeiert wird – doch alles toll. Wirklich?
Die viel besungene Brecht-Pflege ist ein Armutszeugnis. Das Brechtfestival – früher mal ein Aushängeschild mit ambitionierter Neugestaltung – ist im ständigen Wechsel der Zuständigkeiten und Ideenvielfalt abgesoffen und zur Routine geworden. Das Brechthaus – ideal für ein Writers-in-Residence-Konzept, ein interessanter literarischer Treffpunkt, Heimat einer Ideenwerkstatt – dümpelt ohne Zukunftsperspektive dahin. Vorschläge zur Belebung werden abgeblockt.
Die neu aufgestellte Erinnerungskultur mit eigenem Referatszuschnitt und dem Vorzeigemodell „Halle F116 im Sheridangelände“ verfügt über ein gutes, deutschlandweit beachtetes Konzept mit Alleinstellungsmerkmal zur Verknüpfung von Nazivergangenheit und Amerika in Augsburg, liegt aber auf Eis. Das Sheridangelände drumherum wird baulich und infrastrukturell weiterentwickelt, die Halle gerät in Vergessenheit und wird zur architektonischen Herausforderung, ideenlose Bespielungsvarianten überwiegen, ehrenamtliche Kooperationspartner*innen (Geschichtswerkstatt, VVN, Bürgeraktion Pfersee) warten auf Infos und Beteiligung, die interessante, als Appetithäppchen gedachte Anne-Frank-Ausstellung muss ins Rathausfletz ausweichen, obwohl für F116 konzipiert.
Ein „Römisches Museum“, eigentlich ein bundesweites Alleinstellungsmerkmal mit den aktuellen archäologischen Funden, eine Standortentscheidung für die Dominikaner-Kirche so nebenbei ohne stadtkulturelle Debatte, Expert*innenmeinungen laufen ins Leere, wegen Theaterneubau keine Mittel frei, alles auf Eis gelegt – Warteschleife! Ein großes Fragezeichen auch die aktuelle Trennung von Friedensfest und Festival der Kulturen als unterschiedliche Veranstaltungseinheiten (auch der verwaltungsinternen Zuständigkeiten) statt besserer Verknüpfung und Zukunftsfähigkeit und nicht zuletzt der Staatstheater-Neubau: schlechte Kommunikation mit der interessierten Öffentlichkeit, seit 2 Jahren Stillstand, aktuelle Aussagen zu Finanzierungsproblemen mit Kostensteigerung auf ca. 360 Mio. €, bald wohl 400 Mio. € (Verdoppelung der Kostenschätzung von 2016/17 wie damals vorausgesagt) und Sanierungsdauer bis 2029 mit Schuldzuweisungen an Fachbüro und ohne Aussagen zu möglichen Teillösungen, zum kreativen Weiterdenken von Martinipark und Ofenhaus im Gaswerk, Theater der Zukunft – die Warteschleife schlechthin.
Und dazu noch zwei aktuelle stadtpolitische Entscheidungen, die einfach ärgerlich sind: Das FÖRDERKONZEPT RÄUME für FREIE SZENE geht an der Augsburger Realität vorbei, ist nicht auf Augsburger Verhältnisse abgestimmt, es fehlt der Nachhaltigkeitsgedanke bei gleichzeitigem Zwang zur Selbstoptimierung, die Amateur- und Hobbykünstler*innen bleiben mal wieder außen vor. Noch ärgerlicher der Bohei um „500 Jahre Fuggerei“ – ein konzeptionsloses und unkritisches Abfeiern, kein eigentlich gebotenes, notwendiges internationales Symposion zur Funktion, Bedeutung, Rolle der Fugger, die Arbeit des Fugger-und-Welsermuseums zur kritischen Aufarbeitung des rassistisch-kolonialistischen Narrativs der Fugger bleibt außen vor; die Fuggerei (im Moment ein touristisch-sozialer Menschenzoo) als Zukunftsmodell sozialen Wohnens eine schlichte Behauptung ohne Nachhaltigkeitskonzept, der Holzbau auf dem Rathausplatz samt Infomaterial ein Hohn in Sachen Fugger-Forschung!